Ulrike Winkler Logo

„Die Wissenschaft ist eine Suche nach Verständnis.“

Jocelyn Bell Burnell, Radioastronomin, Interview BBC, 2010

Wissenschaftliche Forschung sucht nach einer möglichst objektiven Beschreibung und Erklärung der Welt. Sie versteht ihre Tätigkeit als ergebnisoffenen Prozess. Ihre Stärke ist der vernünftige Zweifel: Das scheinbar Offensichtliche, ebenso ihre eigenen Erkenntnisse, ist sie bereit zu hinterfragen. Unüberprüfbare Behauptungen und dogmatische Gewissheiten lehnt sie ab. 


Allerdings verdanken wir der wissenschaftlichen Forschung tragfähige Aussagen zur Plausibilität, zum Grad von Wahrscheinlichkeit und zur Evidenz ihrer Erkenntnisse. Sie nützt uns, weil sie belastbare Annahmen ermöglicht, bezogen auf Vergangenes, auf Zukünftiges und auf komplexe Zusammenhänge.

Zu ihren Standards gehören die Offenlegung der zugrunde gelegten Prämissen, der verwendeten Quellen und der angewandten Methoden sowie die Nachprüfbarkeit erzielter Ergebnisse.


Auch jener Teil der Wissenschaft, der sich mit der Vergangenheit befasst, die Geschichtswissenschaft, erfordert ein solches Herangehen. 

„Jeder Fakt wird wichtig, wenn er mit einem anderen verbunden ist.“

Umberto Eco, Schriftsteller und Philosoph, Das Foucaultsche Pendel, 1988

Die historische Forschung ist das Experiment einer Annäherung an eine Welt, die nicht mehr existiert: die vergangene Zeit in ihren vielfältigen Bezügen. Spuren dieser Welt finden sich in Erinnerungen, in schriftlichen und mündlichen Überlieferungen und in Traditionen, in Sprachbildern, Fotografien, Filmen, Kunst, Architektur und Naturgestaltung. Oft trifft Forschung nur auf Artefakte und Ruinen, viele Mosaiksteine bleiben unauffindbar. 


Historiker:innen versuchen, diese gewesene Welt – zumindest in Teilen – zu rekonstruieren. Ihre Aufmerksamkeit richtet sich auf Muster in geschichtlichen Abläufen und Zuständen. Die Instrumente dieser Arbeit sind Quellenforschung, Quellenkritik und die Einordnung der Befunde in zeitgeschichtliche und interdisziplinäre Zusammenhänge. 


Die Beschreibung und die Interpretation von Forschungsergebnissen erfolgt unter Anwendung einer transparenten geschichtswissenschaftlichen Methodik.

„Nicht nur Taten, sondern auch die Geschichten, die Menschen erfinden, machen Geschichte.“

Wolf Singer, Hirnforscher, Eröffnungsvortrag 43. Dt. Historikertag, 2000

Fachlichkeit, das konsequente Bemühen um Objektivität und Unabhängigkeit sind Grundbedingungen professioneller Geschichtswissenschaft. Darüber hinaus müssen Historiker:innen kritisch reflektieren, dass es zur Geschichte „weder eine Außenperspektive noch den idealen Beobachter geben kann“ (Singer). Vielmehr fließen aktuelle und zeitgenössische Perspektiven in den Forschungsprozess ein und prägen so unser Bild von dem, was wir „Geschichte“ nennen. 


Dieses Bedingtsein und die prinzipielle Vorläufigkeit der gewonnenen Erkenntnisse hat die Geschichtswissenschaft stets mitzudenken. Vieldeutigem, Ambivalentem und Unstimmigkeiten begegnet sie mit unvoreingenommener Neugier. Ihre Aufgabe ist das Hinterfragen vorgefundener Narrative, die Suche nach neuen Einsichten und die Entwicklung neuer Fragestellungen. 


Ebenso wie die Geschichte selbst kennt auch die historische Forschung „kein letztes Wort“.

Share by: